Inflation über Ziel, aber Wachstum schleppt sich dahin
Beeindruckend ist, dass die EZB diesen Schritt wagt, obwohl die Inflation zuletzt wieder angestiegen ist und bei 2,4 Prozent liegt. Eigentlich strebt man knapp zwei Prozent an. Doch Bankchefin Christine Lagarde betont, man rechne angesichts des mauen Wirtschaftsumfelds mit nachlassendem Preisdruck. Löhne und Preise in einzelnen Bereichen hätten sich zwar zuletzt verzögert an höhere Lebenshaltungskosten angepasst, doch dieser Effekt dürfte laut Lagarde bald abklingen.
Ökonom sieht weiter Luft nach unten
Gunter Deuber, Chefanalyst bei Raiffeisen Research, verweist auf mögliche Auswirkungen drohender US-Einfuhrzölle und chinesischer Deflationstendenzen. Seiner Ansicht nach legen diese Faktoren das Wachstum in der Eurozone teils lahm und dämpfen mittelfristig die Teuerung – daher hält er weitere Zinssenkungen für wahrscheinlich. Laut seiner Prognose könnte der Einlagensatz sogar auf 1,5 Prozent fallen, sollte die Wirtschaft nicht stärker in Fahrt kommen.
Günstige Kredite, mickrige Sparzinsen
Für viele Kreditnehmer in Europa sind das gute Nachrichten: Neben variablen Darlehen dürften auch neu vergebene Kredite spürbar billiger werden. Dies könnte den Immobilienmarkt beleben, da Bau- und Wohnfinanzierungen erschwinglicher werden. Wer jedoch Geld auf Tages- oder Festgeldkonten parken möchte, dürfte sich weiterhin mit mageren Renditen begnügen müssen. Denn sobald die EZB an der Zinsschraube dreht, passen Banken erfahrungsgemäß ihre Konditionen rasch nach unten an.
Trump kontert in den USA
Während die EZB weiter lockert, geht die US-Notenbank Federal Reserve auf Abstand zu weiteren Zinssenkungen. Ihr Leitzins bleibt vorerst in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent. Präsident Donald Trump kritisiert diese Haltung vehement und fordert raschere Zinssenkungen. Fed-Chef Jerome Powell sieht jedoch keinen akuten Handlungsbedarf, da die Inflation in den USA mit 2,9 Prozent immer noch relativ hoch sei – eine Perspektive, die Trump nicht teilt.
Ausblick: Zwischen Hoffen und Skepsis
Dass die EZB trotz anziehender Teuerung an ihrer expansiven Linie festhält, zeigt, wie sehr sie auf konjunkturelle Stabilisierung setzt. Ob das schwache Wachstum in der Eurozone dadurch tatsächlich wieder Fahrt aufnimmt, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Sicher scheint nur: Die Zinsschere zwischen Europa und den USA bleibt groß – und dürfte auf beiden Seiten des Atlantiks weiter für Diskussionen sorgen.
Quellen
- Der Standard, „EZB senkt Leitzinssätze zum fünften Mal in Folge“, Alexander Hahn, veröffentlicht am 30. Jänner 2025.